Fritz Gross » Schauspiel http://fritzgross.de Freier Regisseur / Oper & Schauspiel Thu, 23 Jun 2011 09:04:49 +0000 de-DE hourly 1 http://wordpress.org/?v=4.2.2 Schlusschor (Botho Strauß) http://fritzgross.de/2010/09/schlusschor-botho-straus/ http://fritzgross.de/2010/09/schlusschor-botho-straus/#comments Mon, 13 Sep 2010 20:15:41 +0000 http://fritzgross.de/?p=203 Schlusschor (Botho Strauß)

Das Stück besteht aus drei nahezu vollständig voneinander losgelösten Akten, die jeweils eine Gruppe von Menschen portraitieren. Im ersten Akt mit dem Titel Sehen und gesehen werden sind es 15 Männer und Frauen, die für ein Gruppenfoto posieren. Während der Fotograf die richtige Einstellung sucht, unterhalten sich die in vier Reihen aufgestellten Personen durcheinander. Es sind zusammenhanglose, einzelne Gesprächsfetzen, die von jedem beliebigen Betriebsausflug stammen könnten.

Anne Schmidt-Krayer in Schlußchor, Botho Strauß Karlsruhe 1991

Der Fototermin zieht sich in die Länge (Fotograf: „Ich fotografiere euch so lange, bis ihr ein Gesicht seid. Ein Kopf – ein Mund – ein Blick. Ein Antlitz!“), die Gruppe wird ungeduldig und fängt an, absurde Drohungen gegen den Fotografen auszustoßen. Nach einer „Kanonade kurzer lauter Befehle“ wird es dunkel. „Wenn es wieder hell wird“, so die Regieanweisung, „liegen vom Fotografen nur noch ein Bündel Kleider und die Schuhe auf dem Boden“. – Der zweite Akt trägt den Titel Lorenz vor dem Spiegel (Aus der Welt des Versehens). Lorenz ist Architekt und irrt sich in der Wohnung seiner Auftraggeberin Delia in der Tür. Dabei überrascht er die nackte Delia im Bad – ein banaler Zwischenfall mit tragischem Ausgang. Im anschließenden Gespräch – eigentlich über den Ausbau ihres Dachgeschosses – kommt die Sprache in zunehmend manierierter werdendem, mythisch überhöhtem Ton immer wieder auf die versehentliche Begegnung im Bad zurück.

Während Lorenz Delias unverhüllte Schönheit mit Kunstwerken vergleicht, gemahnt sie ihn an das Schicksal von Actaeon, den die Jagdgöttin Diana, nachdem er sie im Bad erblickt hatte, in einen Hirsch verwandelte und der sodann von seinen eigenen Hunden zerfleischt wurde. Die zweite Szene spielt in der Garderobe einer Villa, die nach und nach von den Gästen einer Party – mal einzeln, mal paarweise – aufgesucht wird: von der „Frau in Schilfgrün“, der „Unbedachten“, dem „Bitteren Mann“. Bruchstücke der Party-Konversation sind zu hören. Unter den Gästen befindet sich auch Lorenz, der Architekt, der immer wieder vor den großen Garderobenspiegel tritt, um sich Mut zu machen für seine Begegnung mit Delia.

Als er, nach einem offenbar mißlungenen Auftritt, gerade gehen will, erscheint Delia im Spiegel, „nackt wie zu Beginn, in derselben Pose“. Da erschießt sich Lorenz. – Der dritte Akt, Von nun an, spielt in einem Restaurant. Zwischen der Konversation der Gäste verkündet „Der Rufer“, der schon im 2. Akt immer wieder mit einem gebrüllten „Deutschland“ auf sich aufmerksam machte, den Fall der Mauer. Ein Paar von drüben taucht auf, und die Adlige Anita von Schastorf hängt ihren monarchistischen Träumen nach. Das Stück endet damit, daß Anita einen Steinadler aus dem Zoo befreit, um ihn anschließend zu töten.

Drei Menschengruppen, gleichsam drei Chöre, die aber nicht im Einklang singen, sondern, aufgelöst in mehr oder weniger gesichtslose Figuren, Banalitäten von sich geben, dazwischen zwei Tote und – fulminanter Abschluß – das abgeschlachtete Wappentier der Bundesrepublik – doch alles scheint gleichermaßen bedeutend oder unbedeutend, die kleinen privaten Geschichten ebenso wie die mitunter heraufbeschworenen Mythen und – der historische Augenblick des Mauerfalls.

Benjamin Henrichs hat das Stück „die Mikroskopierung des Mikrodramas“ genannt: „die kürzesten und schnellsten Stücke der Welt: jeder Satz ein Drama für sich.“ Zugleich sieht er darin „so etwas wie die Schlußversammlung aller bisher bekannten Botho-Strauß-Gesichter und – Gefühle. Ein Scherbenhaufen, ein Wühltisch, eine Krabbelkiste der schönsten Sätze und Effekte. Kein „Museum der Leidenschaften“, sondern ein Bazar der Bagatellen.“.

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Besucher (Botho Strauß) http://fritzgross.de/2010/09/besucher-botho-straus/ http://fritzgross.de/2010/09/besucher-botho-straus/#comments Mon, 13 Sep 2010 20:11:47 +0000 http://fritzgross.de/?p=199 Besucher (Botho Strauß)

Max, ein mittelmäßiger Schauspieler, hat Probleme mit sich selbst und seiner Rolle. Und so kommt es während einer Theaterprobe, in der er dem berühmten alten Schauspieler Karl Joseph gegenübersteht und sich wieder einmal nicht in seinem Part zurechtfindet, zu einer Debatte über das Theater schlechthin, das Max „von den Übeln des kranken Realismus befreien“ will: „Was wir brauchen, ist wieder ein revolutionäres Gefühl, eine Aufbruchstimmung.“ Der Alte dagegen, immer noch vom Ruhm der Nachkriegsjahre zehrend, will „realistisch“ bleiben, „meinetwegen bis sie unten alle eingeschlafen sind“. Die Probe an dem Stück, in dem es um einen ins Zwielicht geratenen Genetikprofessor geht, wird aber auch vom Pförtner unterbrochen, der plötzlich durch das Bühnenbild läuft und sich über Walkie-Talkie mit seiner Frau unterhält. Diese fürchtet sich vor „blinden Besuchern, die sich zwischen den Kostümen verstecken, und plötzlich stehen sie abends mit auf der Bühne“.

Probleme mit der eigenen Rolle hat auch die alternde Diva Edna Gruber. Sie, die schon seit Jahren ein alternatives Leben auf dem Lande führt, sieht sich nicht mehr in der Lage, eine Frau zu spielen, „die Tierexperimente verteidigt“. – Der zweite Akt beginnt mit dem Ende einer Fernseh-Talkrunde, zu der Max nur aufgrund einer Namensverwechslung eingeladen wurde, und in der er sich in angetrunkenem Zustand ziemlich blamiert hat. Während der nächsten Theaterprobe wird ihm seine Rolle entzogen. Da taucht er plötzlich als Zuschauer des Stückes auf, in dem seine eigene Geschichte gespielt wird: „Ich gehe ins Theater, um mir die Sorgen zu vertreiben. Was sehe ich aber auf der Bühne: haargenau meine Sorgen.“

Der dritte Akt spielt auf einem verlassenen Jahrmarkt, wo Max skurrilen Gestalten begegnet: etwa dem Wurfbudenmann, der einsam die Stellung bis zur nächsten Kirmes hält und in dem sich Max wiederzuerkennen glaubt, oder dem Mann mit Lautsprecherstab, dem nur die Stimme seiner Geliebten geblieben ist. Hier trifft er aber auch Figuren wieder, die in den beiden ersten Akten eine Rolle gespielt haben: seine Freundin Lena, die Arm in Arm mit seinem eigenen Double daherkommt, die Blinde, die in Wirklichkeit gar nicht blind, sondern Schauspielerin ist, Edna Gruber, der es gelingt, Max wieder zu seiner Rolle zu verhelfen. Das Stück endet, wie es begonnen hat – auf der Bühne eines Theaters, wo ein Stück geprobt wird.

"Besucher" von Botho Strauß in Karlsruhe 1989 Jörg Ratjen + Friedhelm Becker

Die Figuren geraten mit ihren Rollen als Schauspieler und ihren Rollen im „richtigen“ Leben durcheinander. Eine Komödie, die als kunstvoll gebautes Vexierspiel zwischen Theater und Wirklichkeit jongliert. Dabei wird die Grenze zwischen den unterschiedlichen Spielebenen – dem Stück im Stück und dem Leben jenseits des Theaters – im Laufe der drei Akte immer fließender und zunehmend von surrealen Traumsequenzen überlagert. Zugleich aber liefert S. hier in gewohnter Manier ein Stück bundesrepublikanische Wirklichkeit, diesmal angesiedelt im Theater- und Kulturbetrieb, der sich verzweifelt um Sinnstiftung bemüht.

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Bekannte Gesichter – Gemischte Gefühle (Botho Strauß) http://fritzgross.de/2010/09/bekannte-gesichter-gemischte-gefuhle-botho-straus/ http://fritzgross.de/2010/09/bekannte-gesichter-gemischte-gefuhle-botho-straus/#comments Mon, 13 Sep 2010 20:08:22 +0000 http://fritzgross.de/?p=195 Bekannte Gesichter – Gemischte Gefühle (Botho Strauß)

In einem „erstaunlichen Museum von Leidenschaften“ leben sieben gefühlsverstörte Hotelgäste, die sich die Langeweile einer öden, nur in Bruchstücken wahrgenommenen Wirklichkeit zu vertreiben suchen. Am ersten Weihnachtsfeiertag sitzt man nach dem Abendessen im Hotelfoyer und spricht über die Vergangenheit. Doris und Guenther sind Turniertänzer und bereiten sich auf ihr Training vor. Karl zaubert. Man spricht über alles, ohne aber privat bleiben zu können: In der vom „Leben“ scheinbar völlig abgeschlossenen Gruppe hat auch das Intimste öffentlichen Charakter. Doris begegnet einer Frau, die ihr gleicht. Die andere, neue Doris tanzt mit Guenther; man hält sie für originaler als die alte Doris. Nach einigen Verwicklungen und Eifersüchteleien verschwindet die neue Doris in Stefans Armen, während die alte Doris zur Tür hereinkommt und Stefan eröffnet, daß sie von ihm schwanger sei. Diesen Rückfall in eine banale Wirklichkeit kann Stefan nicht ertragen: er verschwindet. Am nächsten Tag sitzt oder liegt man zwischen Resten des Picknicks. Guenther wartet ungeduldig auf das Tanztraining mit Doris. Doris sitzt bei dem wie ein Embryo verkrümmten Stefan, der sich in der Tiefkühltruhe eingeschlossen hat. Sie glaubt an eine Zukunft mit Stefan und wartet und hofft, daß dieser wieder auftaut.

Bild: Sybille Brunner + Lutz Zeidler

Die selbstverliebten und übersinnlichen Figuren des Stückes haben das Interesse an der Wirklichkeit und an ihren Mitmenschen längst verloren. In ihrer sinnlosen Langeweile sind sie sich selbst genug. Ihre Unfähigkeit, lebendige und engagierte Beziehungen einzugehen, wird dadurch verdeutlicht, daß im Grunde jeder jedem verfügbar ist und nichts eigentlich etwas zu bedeuten hat. Auch in diesem Stück, das die heillose Entfremdung und Kommunikationsunfähigkeit der scheinbar in einer Endzeit lebenden Gegenwartsmenschen zum Thema hat, greift S. in mancher Hinsicht auf die Motivtradition der literarischen Romantik zurück: Traumsequenzen und das Motiv des Doppelgängers sollen das Verwirrend-Unscharfe einer ratlosen Gegenwart betonen.

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1913 (Carl Sternheim) http://fritzgross.de/2010/09/1913-carl-sternheim/ http://fritzgross.de/2010/09/1913-carl-sternheim/#comments Mon, 13 Sep 2010 20:04:51 +0000 http://fritzgross.de/?p=191 1913 (Carl Sternheim)

Das Stück bildet den dritten Teil der „Maske“-Tetralogie und zeigt den Bourgeois Maske auf dem Gipfel seiner Macht. Als Herr eines Industriekonzerns zum Freiherrn Maske von Buchow ernannt, verkörpert jedoch Christian Maske jenes Leistungs- und Pflichtethos der Gründerzeit, das bei seinen Erben zur bloßen Habgier verkommen ist und den drohenden Untergang der wilhelminischen Gesellschaft, die Sternheim in seiner Tetralogie porträtiert, bereits ahnen läßt. – Der 70 jährige Maske führt auf Schloß Buchow einen erbitterten Kampf mit seinem Erben. Seine Tochter Sofie, verheiratete Gräfin von Beeskow, hat zwar den berechnenden Geschäftssinn ihres Vaters geerbt, nicht aber dessen Weitblick, während Tochter Ottilie und Sohn Philipp Ernst beharrlich ihren privaten Neigungen nachgehen. Während einer Krankheit des Vaters nutzt Sofie die Gelegenheit, um einen Waffenvertrag abzuschließen, den der Vater jedoch nicht billigt. Der Machtwille Maskes erwacht wieder angesichts der Furcht, daß seine Tochter sein „Lebenswerk in Stücke“ schlägt; während er zwar ein „lebendiges, ungezügeltes Lebensbewußtsein“ auslebte, aber zugleich Wert auf die Herstellung von Qualitätsprodukten legte, sieht Sofie im Konsumenten nur ein manipulierbares Objekt. Ihre Haltung beweist Christian, daß die bestehende Gesellschaft keine Zukunft habe: „Nach uns der Zusammenbruch! Wir sind reif!“ Zwar gelingt es ihm, die Pläne seiner Tochter zu verhindern, aber im Triumphgefühl des Sieges trifft ihn der Schlag. Und auch seine Hoffnung auf eine Veränderung der Gesellschaft durch jene, die „von Grund auf die Zustände erschüttern, die wir geschaffen“, bleibt Illusion. Sein Sekretär Wilhelm Krey, auf den Maske diese Hoffnung setzt, träumt von der Rettung durch die „deutsche Idee“ und erliegt schließlich den Reizen von Maskes Tochter Ottilie.

Bild: Martin Wuttke, Kristin Derfler, Justus von Dohnanyi, Jürgen Holtz, Ffm/M. 1987

Das Schauspiel, das zwischen 1913 und 1914 entstand und während des Ersten Weltkriegs nicht aufgeführt werden durfte, da es „in gegenwärtiger Zeit geeignet ist, den inneren Frieden zu stören“, fand seine Fortsetzung im 1923 uraufgeführten Stück Das Fossil, das bereits in der Zeit der Weimarer Republik spielt. Sofie wird samt ihrem Liebhaber von ihrem Schwiegervater, dem General von Beeskow, getötet. S. selbst schrieb zu diesem letzten Stück der „Maske“-Tetralogie: „An den Mitgliedern der Familie Maske und ihrer Abkommen ist alles Wesentliche des Zeitabschnitts, den wir miterlebten, gezeigt: Aufstieg und cynisches Verkommen einer bürgerlichen Dynastie bis zum Augenblick der Entscheidung über Europas Schicksal.“

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Der Snob (Carl Sternheim) http://fritzgross.de/2010/09/der-snob-carl-sternheim/ http://fritzgross.de/2010/09/der-snob-carl-sternheim/#comments Mon, 13 Sep 2010 20:01:55 +0000 http://fritzgross.de/?p=187 Der Snob (Carl Sternheim)

Im zweiten Teil seiner „Maske“-Tetralogie karikiert Sternheim den planmäßig betriebenen und rücksichtslos in die Tat umgesetzten Aufstieg des zu Reichtum gelangten Kleinbürgers in die Spitze der wilhelminischen Gesellschaft. – Dem 36 jährigen Christian Maske, Sohn Luises und Theobalds, fehlt zum wirtschaftlichen Erfolg noch die gesellschaftliche Anerkennung. Da sich dazu seine einfache Herkunft als Hemmnis erweist, beschließt er, mit dem kleinbürgerlichen Milieu seiner Vergangenheit zu brechen: „Daß es falsch wäre, durch Hervorzerren der Erzeuger den Abgrund zwischen Herkommen und errungener Stellung offenbar zu erhalten, liegt auf der Hand.“ Er schlägt dazu seinen Eltern ein Tauschgeschäft vor: Für die Erstattung ihrer Aufwendungen für ihn sollen sie seinem Umzug in die Schweiz zustimmen und jeglichen Kontakt mit ihm aufgeben. Seine Geliebte, die ihn in den Umgangsformen der Gesellschaft unterwiesen hat, wird für ihre Dienste mit einer großzügigen Summe abgefunden.

Bild: Hans Georg Körbel, Barbara Stoll, Karlsruhe 1993

Damit glaubt Christian die Voraussetzungen für den Eintritt in die Welt des Adels geschaffen zu haben, und in der Tat gelingt die Verbindung mit Marianne, der Tochter des Grafen Palen. Als Christian jedoch bemerkt, daß es in adligen Kreisen als „schick“ gilt, die eigene Leistung durch das Bekenntnis einer schlichten Herkunft zu unterstreichen, lädt er seine Eltern zu seiner Hochzeit ein. Theobald Maske, der dem Sohn bei seiner Ankunft den Tod der Mutter mitteilt, mißbilligt zunächst die Heirat, da er darin die Verletzung geheiligter Standesschranken sieht. Schließlich aber siegt in ihm die Genugtuung über die erfolgreiche Karriere Christians, die ihm als Befriedigung eigener geheimer Aufstiegssehnsüchte gilt. Das kleinbürgerliche Auftreten des alten Maske nimmt die adlige Gesellschaft in amüsierter Haltung hin. Christians gesellschaftlicher Aufstieg ist gelungen und jeder Widerstand der Braut überwunden, als er unter Erinnerung an die Episode mit der Hose (Die Hose) die Ehre seiner Mutter preisgibt und seine angebliche Abstammung vom französischen Adel andeutet.

Sternheim registriert in diesem Stück sehr genau den beginnenden Abstieg des Adels in der sich entwickelnden Industriegesellschaft. Christians übertriebene Anpassungsversuche sind letztlich überflüssig, da es allein sein Reichtum ist, die ihm die Anerkennung des verarmten Grafen sichert.

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Die Hose (Carl Sternheim) http://fritzgross.de/2010/09/die-hose-carl-sternheim/ http://fritzgross.de/2010/09/die-hose-carl-sternheim/#comments Mon, 13 Sep 2010 19:59:07 +0000 http://fritzgross.de/?p=183 Die Hose (Carl Sternheim)

Das Stück eröffnet Sternheims Tetralogie (Der Snob, 1913, Das Fossil) über den Aufstieg des Kleinbürgers Theobald Maske in die Welt von Großfinanz und Aristokratie und gilt als das wichtigste Werk aus dem dramatischen Zyklus „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“, in dem er die bürgerliche Gesellschaft seiner Zeit einer satirischen Analyse unterwirft.

Der Beamte Theobald Maske befürchtet einen Skandal, da seine Frau auf offener Straße jenes in der Wilhelminischen Zeit kaum aussprechbare Kleidungsstück verloren hat, das dem Stück den Titel gibt. Um mögliche finanzielle Nachteile abzuwenden, beschließt Maske, Untermieter aufzunehmen, den gewandten Literaten Scarron sowie den schwächlichen Friseur Mandelstam. Beide sind aber, als Zeugen des peinlichen Vorfalls, vor allem an Maskes Frau Luise interessiert, die sich besonders dem Werben des „romantischen Dichters“ nicht abgeneigt zeigt, der sie jedoch während einer Diskussion über Nietzsches „Übermenschen“ vergißt. Als eigentlicher Sieger geht Maske aus den Geschehnissen hervor; er verführt die Nachbarin und eröffnet seiner Frau anschließend, während er Anweisungen zur Zubereitung des Sonntagsbratens gibt, daß er sich nun auch finanziell in der Lage sehe, „ihr ein Kind zu machen“.

Das Lustspiel, anfänglich „aus Gründen der Sittlichkeit“ verboten, zählt zu S.s erfolgreichsten Stücken, in denen er kleinbürgerlichen Geltungsdrang und verdrängte sexuelle Wünsche unter der „Maske“ gesellschaftlicher Anpassung und Unscheinbarkeit entlarvt. „Meine Unscheinbarkeit ist eine Tarnkappe, unter der ich meinen Neigungen, meiner innersten Natur ungehindert frönen kann“ (Maske).

Bild: Edgar M. Böhlke und Katharina Rupp, Frankfurt 1986

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Der Reigen (Arthur Schnitzler) http://fritzgross.de/2010/09/der-reigen-arthur-schnitzler/ http://fritzgross.de/2010/09/der-reigen-arthur-schnitzler/#comments Mon, 13 Sep 2010 19:55:32 +0000 http://fritzgross.de/?p=178 Der Reigen (Arthur Schnitzler)

Ilse Boettcher und Lutz Zeidler als Dirne / Soldat

aus: Der Reigen
Die Dirne und der Soldat
Spät abends. An der Augartenbrücke.
Soldat kommt pfeifend, will nach Hause.
Dirne Komm, mein schöner Engel.
Soldat wendet sich um und geht wieder weiter.
Dirne Willst du nicht mit mir kommen?
Soldat Ah, ich bin der schöne Engel?
Dirne Freilich, wer denn? Geh, komm zu mir. Ich wohn‘ gleich in der Näh‘.
Soldat Ich hab‘ keine Zeit. Ich muß in die Kasern’!
Dirne In die Kasern‘ kommst immer noch zurecht. Bei mir is besser.
Soldat ihr nahe Das ist schon möglich.
Dirne Pst. Jeden Moment kann ein Wachmann kommen.
Soldat Lächerlich! Wachmann! Ich hab‘ auch mein Seiteng’wehr!
Dirne Geh, komm mit.
Soldat Laß mich in Ruh‘. Geld hab‘ ich eh keins.
Dirne Ich brauch‘ kein Geld.
Soldat bleibt stehen. Sie sind bei einer Laterne Du brauchst kein Geld? Wer bist denn du nachher?
Dirne Zahlen tun mir die Zivilisten. So einer wie du kann’s immer umsonst bei mir haben.
Soldat Du bist am End‘ die, von der mir der Huber erzählt hat. –
Dirne Ich kenn‘ kein‘ Huber nicht.
Soldat Du wirst schon die sein. Weißt – in dem Kaffeehaus in der Schiffgassen – von dort ist er mit dir z‘ Haus ‚gangen.
Dirne Von dem Kaffeehaus bin ich schon mit gar vielen z‘ Haus ‚gangen… oh! oh! –
Soldat Also gehn wir, gehn wir.
Dirne Was, jetzt hast’s eilig?
Soldat Na, worauf soll’n wir noch warten? Und um zehn muß ich in der Kasern‘ sein.
Dirne Wie lang dienst denn schon?
Soldat Was geht denn das dich an? Wohnst weit?
Dirne Zehn Minuten zum gehn.
Soldat Das ist mir zu weit. Gib mir ein Pussel.
Dirne küßt ihn Das ist mir eh das liebste, wenn ich einen gern hab’!
Soldat Mir nicht. Nein, ich geh‘ nicht mit dir, es ist mir zu weit.
Dirne Weißt was, komm morgen am Nachmittag.
Soldat Gut is. Gib mir deine Adresse.
Dirne Aber du kommst am End‘ nicht.
Soldat Wenn ich dir’s sag’!
Dirne Du, weißt was – wenn’s dir zu weit ist heut abend zu mir – da… da… Weist auf die Donau.
Soldat Was ist das?
Dirne Da ist auch schön ruhig… Jetzt kommt kein Mensch.
Soldat Ah, das ist nicht das Rechte.
Dirne Bei mir is immer das Rechte. Geh, bleib jetzt bei mir. Wer weiß, ob wir morgen noch ‚s Leben haben.
Soldat So komm – aber g’schwind!
Dirne Gib Obacht, da ist so dunkel. Wennst ausrutschst, liegst in der Donau.
Soldat Wär‘ eh das beste.
Dirne Pst, so wart nur ein bissel. Gleich kommen wir zu einer Bank.
Soldat Kennst dich da gut aus.
Dirne So einen wie dich möcht‘ ich zum Geliebten.
Soldat Ich tät‘ dir zu viel eifern.
Dirne Das möcht‘ ich dir schon abgewöhnen.
Soldat Ha –
Dirne Nicht so laut. Manchmal is doch, daß sich ein Wachter her verirrt. Sollt man glauben, daß wir da mitten in der Wienerstadt sind?
Soldat Daher komm, daher.
Dirne Aber was fällt dir denn ein, wenn wir da ausrutschen, liegen wir im Wasser unten.
Soldat hat sie gepackt Ah, du –
Dirne Halt dich nur fest an.
Soldat Hab kein‘ Angst…

Florence Tribon und Lutz Zeidler als Stubenmaedchen / Soldat

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The Fairy Queen / Ein Sommernachtstraum (Purcell/Shakespeare) http://fritzgross.de/2010/09/the-fairy-queen-ein-sommernachtstraum-purcellshakespeare/ http://fritzgross.de/2010/09/the-fairy-queen-ein-sommernachtstraum-purcellshakespeare/#comments Mon, 13 Sep 2010 19:48:04 +0000 http://fritzgross.de/?p=172 The Fairy Queen / Ein Sommernachtstraum (Purcell/Shakespeare)

Henry Purcells The Fairy Queen von 1692 übersetzt das Wesen von Shakespeares Sommernachtstraum ins Musikalische ohne das wörtliche Zitat der Vorlage. Die wichtigsten Dialogszenen ließ Purcell als Handlungsträger unberührt, alles Atmosphärische und Emotionale dagegen wurde Musik. Hinzu kommen allegorische Figuren, die die Spielarten von Anziehung und Abstoßung weiter variieren und den barocken Zauber erhöhen. – Purcells The Fairy Queen ist keinem Genre eindeutig zuzurechnen: Es ist Barocktheater in Reinkultur. Ein theatralisches Festspiel also, voll Poesie, Witz, Tanz, Gesang und Spektakel.

Die Komödie Ein Sommernachtstraum (engl. A Midsummer Night’s Dream, der korrekte deutsche Titel wäre also Ein Mittsommernachtstraum, auch um den Sinn nicht zu verfremden) wurde 1595 oder 1596 von William Shakespeare geschrieben und vor 1600 uraufgeführt.

Theseus rüstet zur Hochzeit mit der besiegten Amazonenkönigin Hippolyta. Auf einer Lichtung proben zu diesem Anlass sechs Handwerker „die tief tragische Komödie von Pyramus und Thisbe“. Unterdessen entfaltet sich im Wald die fantastische Zauberwelt der Natur- und Waldgeister. Eifersüchtiger Streit herrscht zwischen dem Elfenkönig Oberon und seiner Gattin Titania. Um Titania zu bestrafen, lässt sich Oberon von Puck eine Wunderblume bringen, mit deren Hilfe die Gattin sich beim Erwachen in die nächstbeste Kreatur verlieben wird…

Das Stück lieferte die Vorlage für verschiedene Opern, so The Fairy Queen (1692) von Henry Purcell, Le Songe d’une nuit d’été (1850) von Ambroise Thomas und A Midsummer Night’s Dream (1960) von Benjamin Britten. Sehr bekannt wurde auch die Schauspielmusik von Felix Mendelssohn Bartholdy. Auch moderne Autoren haben sich auf den Sommernachtstraum bezogen, so etwa Botho Strauß in Der Park (1983) und Neil Gaiman in The Sandman – Dream Country (1991).

Um zwei der wunderbarsten Bühnenwerke der Weltliteratur zu vereinen, greifen wir zurück auf eine Theaterpraxis, die zuletzt an den deutschen Theatern zwischen 1900 und 1914 immer Sonntags als „Matinée“ praktiziert wurde, zur „halbtheatralischen“ Umsetzung der „konzertant“ aufgeführten Oper The Fairy Queen und der „szenische Lesung“ des Schauspiels „Ein Sommernachtstraum“.

Diese Art der theatralischen Umsetzung bietet neben der kostengünstigsten Produktionsmöglicheit auch viel Unterhaltung für die Augen des Betrachters.

Die Schauspieler stellen alle wichtigen Figuren aus Shakespeares Komödie dar, und sich vor den Augen des Publikums, im wahrsten Sinne des Wortes, im „Stehgreif“ verwandeln.

Damit immer genug Übersicht im Chaos der Nacht und des Waldes vorhanden ist, im hin und her der Sprachen, die Oper wird in der Originalsprache, also Englisch gesungen, greifen wir auf die Figur des „Chorus“ bei Shakespeare zurück. In allen Aufführungen der damaligen Zeit gab der Chorus dem Publikum die entscheidenden Hinweise auf Ort und Zeit, die Konflikte in und zwischen den handelnden Personen; aber er regte vor allem die Phantasie des Publikums an, da in der Aufführungspraxis Bühnenbilder nicht vorhanden waren.

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Der Sommernachtstraum (William Shakespeare) http://fritzgross.de/2010/09/der-sommernachtstraum-william-shakespeare/ http://fritzgross.de/2010/09/der-sommernachtstraum-william-shakespeare/#comments Mon, 13 Sep 2010 19:45:10 +0000 http://fritzgross.de/?p=167 Der Sommernachtstraum (William Shakespeare)

Inhaltsangabe
Hermia liebt Lysander, soll jedoch auf Befehl ihres Vaters Demetrius heiraten, den ihre Freundin Helena liebt. Die liebenden Paare fliehen in den Wald, wo sie das Gesetz Athens nicht erreichen kann. Der Wald ist das Reich der Feen und Elfen, doch nun herrscht hier Aufruhr, denn der Feenkönig Oberon und seine Gemahlin Titania haben sich entzweit. Um Titania zu bestrafen, befiehlt Oberon dem mutwilligen Kobold Puck, ihr im Schlaf einen Zaubersaft in die Augen zu träufeln, der sie in Liebe zum ersten Wesen entbrennen läßt, das ihre Augen beim Erwachen erblicken. Als Puck die inzwischen zerstrittenen Athener Liebenden mit dem magischen Saft wieder zueinander bringen soll, verwechselt er Lysander mit Demetrius, so daß zuletzt beide Männer in Helena verliebt sind und sich duellieren wollen. Eine dritte Gruppe ist in den Wald gekommen, biedere Athener Handwerker, die eine Tragödie einstudieren wollen, um sie auf dem Hochzeitsfest des Herzogs Theseus mit der Amazonenkönigin Hippolyta als Huldigung der Bürger aufzuführen. Puck amüsiert sich köstlich über das „hausbackene Volk“ (3. Akt) und setzt Zettel, dem Weber, einen Eselskopf auf. In diese Ungestalt verliebt sich die erwachende Titania. Nachdem nun Liebende, Feen und Handwerker gehörig durcheinandergewirbelt sind, löst Oberon die Verwirrungen und führt die Paare zusammen. An Theseus‘ Hof feiern alle ein fröhliches Fest, und die Handwerker präsentieren die „erschröckliche“ Geschichte von „Pyramus und Thisbe“, die ihnen unfreiwillig zur zwerchfellerschütternden Persiflage gerät. Die Feen segnen das Haus, und ein treuherzig-verschmitzter Puck bittet am Ende das Publikum, alles nur als Traumspiel zu betrachten.

Bild: Barbara Stoll, Michael Rademacher, Andreas Seifert, Lutz Zeidler

Bild: Phiipp Hunscha, Michael Rademacher

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Nathan der Weise (Lessing, Gotthold Ephraim) http://fritzgross.de/2010/09/nathan-der-weise-lessing-gotthold-ephraim/ http://fritzgross.de/2010/09/nathan-der-weise-lessing-gotthold-ephraim/#comments Mon, 13 Sep 2010 19:40:02 +0000 http://fritzgross.de/?p=163 Nathan der Weise (Lessing, Gotthold Ephraim)

Das 1779 entstandene Drama spielt zur Zeit der Kreuzzüge in Jerusalem, wo Islam, Christentum und Judentum unmittelbar aufeinandertreffen.

Der reiche Nathan kehrt von einer Geschäftsreise zurück und hört, daß seine adoptierte Tochter Recha durch einen jungen Tempelherren vor dem Feuertod gerettet wurde. Der christliche Tempelherr, der zuvor durch einen unerwarteten Gnadenakt des Sultans seiner Hinrichtung entgangen war, wird von Nathan in ein freimütiges Gespräch gezogen und, zum Dank für seine mutige Tat, zu einem Besuch bei Recha eingeladen.

Mittlerweile hat sich der Sultan entschlossen, dem Rat seiner Schwester Sittah zu folgen und die allseits bekannte Freigebigkeit und Klugheit Nathans auf die Probe zu stellen: Er fragt ihn, welche die wahre und echte Religion sei. Nathan antwortet – genau in der Mitte des Dramas – mit einem Gleichnis, der berühmten „Ringparabel“: Ein orientalischer Fürst besaß einst einen Ring, der seinen Träger „vor Gott und den Menschen angenehm“ machte. Dieser Ring vererbte sich auf den jeweiligen Lieblingssohn des Herrschers.

Einer der späteren Fürsten jedoch konnte sich nicht entscheiden, welcher seiner drei Söhne ihm der liebste sei und ließ daher zwei weitere, dem ersten zum Verwechseln ähnliche Ringe anfertigen. Den später ausbrechenden Streit der Söhne um den echten Ring schlichtete ein Richter, indem er das gute und richtige praktische Handeln zum Maßstab für die Echtheit des Ringes erklärte. – Jede Religion, so erkennt der tief bewegte Sultan Saladin aus dieser Parabel, muß sich grundsätzlich durch andauernde praktische Humanität bewähren – erst dadurch wird sie „wahr“; betroffen bietet er Nathan seine Freundschaft an.

Inzwischen hat sich der Tempelherr leidenschaftlich in Recha verliebt und begehrt sie zur Frau. Nach einigen Verwirrungen und Verwicklungen erkennt Nathan im Tempelherren Rechas leiblichen Bruder, und Saladin entdeckt in ihm seinen Neffen. Der weise Nathan wird von Recha und dem Tempelherren als ihr „Vater“ und geistiger Führer angesehen. Das Stück endet indem alle ausser Nathan die Buehne verlassen, und nur er allein zurueckbleibt.

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