Bekannte Gesichter – Gemischte Gefühle (Botho Strauß)

Bekannte Gesichter – Gemischte Gefühle (Botho Strauß)

In einem „erstaunlichen Museum von Leidenschaften“ leben sieben gefühlsverstörte Hotelgäste, die sich die Langeweile einer öden, nur in Bruchstücken wahrgenommenen Wirklichkeit zu vertreiben suchen. Am ersten Weihnachtsfeiertag sitzt man nach dem Abendessen im Hotelfoyer und spricht über die Vergangenheit. Doris und Guenther sind Turniertänzer und bereiten sich auf ihr Training vor. Karl zaubert. Man spricht über alles, ohne aber privat bleiben zu können: In der vom „Leben“ scheinbar völlig abgeschlossenen Gruppe hat auch das Intimste öffentlichen Charakter. Doris begegnet einer Frau, die ihr gleicht. Die andere, neue Doris tanzt mit Guenther; man hält sie für originaler als die alte Doris. Nach einigen Verwicklungen und Eifersüchteleien verschwindet die neue Doris in Stefans Armen, während die alte Doris zur Tür hereinkommt und Stefan eröffnet, daß sie von ihm schwanger sei. Diesen Rückfall in eine banale Wirklichkeit kann Stefan nicht ertragen: er verschwindet. Am nächsten Tag sitzt oder liegt man zwischen Resten des Picknicks. Guenther wartet ungeduldig auf das Tanztraining mit Doris. Doris sitzt bei dem wie ein Embryo verkrümmten Stefan, der sich in der Tiefkühltruhe eingeschlossen hat. Sie glaubt an eine Zukunft mit Stefan und wartet und hofft, daß dieser wieder auftaut.

Bild: Sybille Brunner + Lutz Zeidler

Die selbstverliebten und übersinnlichen Figuren des Stückes haben das Interesse an der Wirklichkeit und an ihren Mitmenschen längst verloren. In ihrer sinnlosen Langeweile sind sie sich selbst genug. Ihre Unfähigkeit, lebendige und engagierte Beziehungen einzugehen, wird dadurch verdeutlicht, daß im Grunde jeder jedem verfügbar ist und nichts eigentlich etwas zu bedeuten hat. Auch in diesem Stück, das die heillose Entfremdung und Kommunikationsunfähigkeit der scheinbar in einer Endzeit lebenden Gegenwartsmenschen zum Thema hat, greift S. in mancher Hinsicht auf die Motivtradition der literarischen Romantik zurück: Traumsequenzen und das Motiv des Doppelgängers sollen das Verwirrend-Unscharfe einer ratlosen Gegenwart betonen.