Die Wupper (Else Lasker-Schüler)

Die Wupper (Else Lasker-Schüler)

Schauplatz des 1. Akts ist das Arbeiterviertel einer Fabrikstadt im Wuppertal. Carl Pius, Sohn einer Wäscherin, Enkel des katholischen Webers Wallbrecker und der lutherischen Quacksalberin Mutter Pius, will studieren und Pastor werden („Ich bin mit den Dogmen der katholischen Kirche in Konflikt geraten“), damit er sich später mit der von ihm pubertär angebeteten Marta, der Tochter der Fabrikantenwitwe Sonntag, vermählen kann. Dem Großvater wäre es freilich lieber, er würde eines Tages Lieschen, die zwölfjährige Enkelin seines besten Freundes, heiraten. In der Abenddämmerung kommen drei Stadtstreicher vorbei, der Exhibitionist Pendelfrederech, der Schwule Lange Anna und der gläserne Amadeus, der den Leuten Prophezeiungen stellt und dessen Herz einen Sprung hat – alle drei Außenseiter der Gesellschaft, deren Leben keinen Sinn hat („Ich hab nix von’s Leben, aber es hat mir zum Zeitvertreib“). Carl gerät mit ihnen in Streit, die Männer verziehen sich schließlich unter Drohungen. Lieschen besteigt schlafwandelnd das Dach.

Der 2. Akt spielt im Garten der Villa Sonntag und gibt Einblick in die Familienverhältnisse der Fabrikantenfamilie: Eduard, der jüngere Sohn, ist an Schwindsucht erkrankt und will unbedingt Franziskanermönch werden; gemeinsam mit Carl Pius bereitet er sich auf das Examen vor. Heinrich, dem Amadeus seinen baldigen Tod vorausgesagt hat, leitet seit dem Tod des Vaters den Betrieb, er ist ein leutseliger Mensch, den gewöhnlichen Ausschweifungen des Lebens nicht abgeneigt. Mutter Pius, die zuvor den Dienstmädchen Berta und Auguste die Karten gelegt und dafür eine Nacktaufnahme von Marta erhalten hat, lädt ihn in ihr Kuriositätenkabinett auf dem Johannismarkt ein. Nach dem Tee im Familienkreis geht Heinrich kegeln, Carl begleitet Marta bei ihrem Gartenspaziergang und macht ihr Avancen.

Der 3. Akt zeigt, wie sich Heinrich Sonntag auf dem Jahrmarkt mit Lieschen auf dem Karussell vergnügt; schließlich verführt er die Kleine mit Hilfe von Mutter Pius in deren Bude. Der zielstrebige Fabriksverwalter Bruno von Simon skandalisiert öffentlich Heinrichs Benehmen, der schon ziemlich betrunken ist, doch die Arbeiter stellen sich auf die Seite ihres Herrn. Nur mit Mühe entgeht Simon einer Prügelei.

Der 4. Akt spielt wieder im Arbeiterviertel. Es ist Morgen, Lieschen treibt sich auf der Straße herum und trifft dabei den von ihr angehimmelten Eduard, der Carl aufsuchen will. Mutter Pius bietet Eduard an, seine Krankheit zu kurieren. Nachdem er gegangen ist, zeigt die Alte Carl das Nacktfoto Martas und überredet ihn, bei Frau Sonntag um die Hand der Tochter anzuhalten.

Im 5. Akt ist die Familie Sonntag in Trauer um Heinrich, der sich nach seinem Fehltritt aus soldatischem Ehrgefühl umgebracht hat, im Gartenzimmer versammelt. Eduard will nach wie vor Mönch werden. Pius‘ Antrag wird von Frau Sonntag empört zurückgewiesen, wenig später wird ihr Martas Aktfoto anonym zugestellt. Die Tochter geht aus Familienräson eine Vernunftehe mit Simon ein – in der Überzeugung, dieser werde die Fabrik nach den modernen Gesetzen der Profitmaximierung leiten. Der offene Schluß zeigt Carl, der sich mit August Puderbach im Wirtshaus betrunken hat; Lieschen wurde in eine Zwangserziehungsanstalt gebracht und Eduard, der Carl aufsuchen will, tritt „mit gesenktem Kopf den Heimweg an“.

"Die Wupper" in Freiburg 1989 Annette Ziellenbach,Lutz Zeidler, Detlef Lutz, Artus-Maria Matthiessen Bühne: Peter A. Schulz Kostüme Gabriele Hennig